Liebe Gemeinde,
In einem Brief an seinen Freund Eberhardt Bethge schreibt Dietrich Bonhoeffer 1944: „Ich möchte glauben lernen“ – Einer der größten evangelischen Theologen, der heute vor 78 Jahren wegen seines Glaubens hingerichtet wurde, sagt über sich selbst: Er möchte Glauben lernen. Aber ist das überhaupt möglich? War Dietrich Bonhoeffer nicht ein überzeugter Christ? Ein Mensch, der Glaubenslieder geschrieben hat? Der in seiner Theologie Gott gesucht hat?
In seinem Brief erzählt Bonhoeffer wie er sich in den USA mit einem jungen Kollegen unterhalten hat. Sie haben sich einfache Fragen gestellt über den Glauben und über das Leben. Sein Freund sagte: „Ich möchte ein Heiliger werden.“
Bonhoeffer war davon so beeindruckt und vielleicht gar eingeschüchtert, dass er darauf nur antwortete: „Ich möchte glauben lernen“.
Für Dietrich Bonhoeffer war es das Ziel, dass es zu erreichen galt: Glauben lernen. Lernen sich ganz und gar in Gott wiederzufinden, ganz und gar in ihm aufzugehen. Erst einmal glauben lernen, bevor man „Heiliger“ werden möchte. Denn Bonhoeffer schreibt weiter: „Ich dachte ich könnte glauben lernen, indem ich selbst so etwas wie ein heiliges Leben zu führen versuchte.“ Aber man kommt nicht zum Glauben durch ein heiliges Leben, das ist nichts als ein frommer Wunsch oder sogar eine trügerische Täuschung.
Für Dietrich Bonhoeffer war es letztendlich sein Weg zum Glaube und nicht sein heiliges Leben.
Ein Glaube, der vor allem im Wunder des Osterfestes gegründet steht.
Es war das Wachsen im Vertrauen auf Gott und nicht das halten aller seiner Gebote und Verbote, die im Kanon der Bibel zu finden sind. Dietrich Bonhoeffer wusste sich in seiner tiefsten Lebenskrise in Gottes Armen gehalten, weil er das Geschenk des Osterwunders hatte und glaubte.
Wie Dietrich Bonnhoeffer erging es auch fast 1900 Jahre früher dem Apostel Paulus, als er in einem Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt:
1Brüder und Schwestern, ich will euch auf die Gute Nachricht hinweisen, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie ja angenommen, und ihr steht fest auf diesem Grund. 2Ihr werdet gerettet, wenn ihr daran festhaltet. Bewahrt den Wortlaut, den ich euch verkündet habe. Wenn ihr das nicht tut, wärt ihr vergeblich zum Glauben gekommen. 3Was ich euch weitergegeben habe, habe ich selbst als Überlieferung empfangen. Grundlegend ist: Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in der Heiligen Schrift steht. 4Er wurde begraben und am dritten Tag auferweckt, wie es in der Heiligen Schrift steht. 5Er hat sich Kephas gezeigt, danach auch den Zwölf.
6Später zeigte er sich über fünfhundert Brüdern und Schwestern auf einmal. Die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind aber gestorben.
7Danach hat er sich Jakobus gezeigt, schließlich allen Aposteln. 8Ganz zuletzt hat er sich auch mir gezeigt –also gleichsam einem Missratenen. 9Ich bin nämlich der unwürdigste unter den Aposteln. Ich verdiene es nicht, Apostel genannt zu werden. Denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt. 10Aber durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin. Und seine Gnade, die er mir erwiesen hat, blieb nicht ohne Wirkung. Im Gegenteil: Ich habe mehr für die Gute Nachricht gearbeitet als alle anderen Apostel. Aber das habe nicht ich getan, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist. 11Gleichgültig, ob ich es sage oder die anderen Apostel: Das ist unsere Verkündigung und der Glaube, den ihr angenommen habt.
Auch für den Apostel Paulus ist das Ostergeschehen ein Wendepunkt in seinem Leben. Durch die Erfahrung, die er vor den Toren Damaskus machte lernte er an Christus zu glauben.
Dabei ist der Bericht des Paulus über das Ostergeschehen einer der ersten des Christentums überhaupt, der uns überliefert ist. Noch vor den Evangelien verbreitet Paulus die Gute Botschaft die auch uns erreicht hat. Eine Botschaft, die auch wir glauben müssen, ja sogar lernen müssen.
Gerade wenn wir in der heutigen Zeit mit allem Leid und den Konflikt des Lebens konfrontiert sind, fällt es uns schwer dieses Wunder als wahr anzunehmen. Wo ist die Gute Botschaft in der Ukraine?
Unsere Osterkerze ziert das Motiv des Altarbildes der St. Paulskirche in der ukrainischen Stadt Odessa. Jedes Mal, wenn unsere Osterkerze nun in unseren Gottesdiensten brennt, brennt sie auch für die Menschen in der Ukraine, die Menschen in Odessa, die Menschen, die unter Gewalt, Krieg, Unterdrückung und Not leiden.
Jedes Mal, wenn diese Kerze brennt, dann ist es ein Gebet um Frieden und Einheit. Um Leben und Liebe. Sie brennt für die Gute Botschaft die mit der Auferstehung Christi in unsere Welt kommt. Das Licht der Osterkerze lehrt uns, was das Osterwunder bedeutet. Vertreibung der Finsternis und Licht für unsere Hoffnung. Wenn wir die Flamme der Osterkerze sehen, dann erzählt sie unser heutiges Bibelwort.
Denn wie sich das Licht ausbreitet in unserer Dunkelheit, so auch die Botschaft der Auferstehung. Erst ganz klein und schwach – Petrus und den Jüngern, dann immer stärker – den fünfhundert Brüdern und Schwestern und schließlich auch uns.
Wenn wir diese Botschaft lernen, dann trägt sie uns in allen Situationen des Lebens, selbst in diesen, in denen wir an ihr zweifeln. An Gottes wirken in dieser Welt.
Gerade für diese Zweifel gibt uns Paulus einen Leitfaden an die Hand, so wie der jungen Gemeinde in Korinth:
Er erinnert an die Botschaft als Grund unseres Glaubens. Ohne sie wäre das Christentum nichts. Haltlos. Nichts das Tragen kann.
Dabei ist diese Botschaft keine Einzelmeinung, sondern geht hinaus in die Welt. Sie hat sich nicht nur einem Menschen offenbart, sondern vielen. Paulus wird zu einem aus den Reihen der Verkündigenden und so sollen auch wir werden. Ein Chor, der von Gottes Guter Nachricht singt.
Aber um diese Botschaft zu singen müssen wir lernen! Lernen, dass wir als Menschen einen großen Anteil an Gottes Schöpfung haben. Dass wir auch die Verantwortung tragen, diese Schöpfung zu bewahren. Wir müssen lernen, dass wir als Menschen sündig sind und wir nur durch Christus Vergebung der Sünden empfangen. Wir müssen lernen, dass in Christus diese Sünden am Kreuz gestorben sind. Wir müssen lernen, an all diese Dinge zu glauben und dazu gehört auch, dass wir uns gegenseitig in diesem Glauben stärken.
Nicht nur an Ostern, nicht nur an Weihnachten, nicht nur an Pfingsten sondern jeden Tag unseres Lebens. Und gleichzeitig lernen wir, dass wir keine Heiligen werden müssen, weil wir es schon durch Christi Tod und Auferstehung sind. Und dies ist wahrlich nicht einfach in der heutigen Zeit mit all ihren Anfechtungen. So dass wir auch sagen: „Ich will glauben lernen.“
Und lernen geht vermutlich am besten, wenn man Spaß dabei hat. Daher soll diese Ansprache nicht mit einem Aufruf enden, lernende des Glaubens zu sein, sondern mit der Freude, dass mit Christus dem Tod der Schrecken genommen ist. Und so gehört auch zu Ostern traditionell das Osterlachen:
Der Pfarrer predigt wieder ewig lange
und findet einfach kein Ende.
Leise ergreifen einzelne Kirchenbesucher die Flucht, sogar die fromme Frau Huber schleicht sich heimlich aus der Kirche.
Ihr Mann wartet schon seit zehn Minuten vor der Kirchentür und fragt erleichtert: “Ist der Herr Pfarrer also endlich am Ende?“
„Na, am Ende ist er schon lang – aber trotzdem predigt er weiter!“